When In doubt, get out!

„Da ist doch nur ein Wolkenband zwischen uns, und hier ist strahlend blauer Himmel. Der kann doch jetzt nicht umdrehen.“ Der PiC wollte mich abholen und zurück nach Hause bringen. Jedoch liegt 20 Minuten vor dem Zielflugplatz eine bodennahe Wolkenschicht auf, und da möchte er nicht drüber. Jetzt bin ich umsonst 45 Minuten zum Flugplatz gefahren, darf wieder zurück und hänge einen weiteren Tag bei der Familie fest. Eigentlich bin ich sauer, aber in Ruhe betrachtet … warum eigentlich? Er hat alles richtig gemacht, oder?

„Get there“-itis oder ähnlich wird diese Krankheit genannt. Es handelt sich um eine mentale Grundhaltung, die dazu führt, deutliche Warnsignale zu missachten und sich in unnötige Gefahr zu begeben. Auch, wenn es am Ende nicht der ursächliche Grund eines Unfalls sein muss, ist es oft ein Auslöser – die scheinbare Notwendigkeit einen Flug anzutreten bzw. durchzuziehen. „Der sicherste Flug ist der, der nicht angetreten wird“. Klingt zwar blöd, aber trifft doch völlig ins Schwarze. Nicht umsonst lernen Pilot*innen in ihrer Ausbildung viel über Technik und diese auf Funktionsfähigkeit einzuschätzen. Es gibt Checklisten, um alle Systeme zu prüfen. Ist man einmal in der Luft, kann man nicht mal kurz rechts ranfahren und den ADLC rufen. Deswegen heißt es auch: „Nimm niemals ein Problem mit in die Luft“. Das Problem kann ein unrunder Motorlauf sein, eine fragwürdige Beule am Flügel oder die Ungewissheit über das Wetter am Zielflugplatz. Je mehr und früher im Flug man Fragezeichen eliminiert, umso mehr “Käsescheiben” baut man sich auf und umso geringer ist die Chance, in eine Sackgasse ohne Ausweg zu fliegen.

Ich habe es mir angewöhnt, neben dem eingebauten GTN650 mit einem EFB (Tablet) und Papiercharts von Ausweichflugplätzen als Backup zu starten. Wenn der Zielflugplatz eine ungünstige Seitenwindkomponente hat, suche ich mir einen Ausweichflugplatz (Alternate) mit besserer Pistenkonfiguration für den Fall der Fälle. Neulich sind wir dann doch wegen „Wolken“ am Boden geblieben und haben bei strahlendem Sonnenschein einen Kaffee beim Bäcker getrunken.

Wer lapidar ein Problem mit „Wird schon schief gehen!“ Herunterspielt, riskiert, dass es mal wirklich schief geht. Irgendwie ist es witzig gemeint, aber hat doch ein bisschen was von Wahrheit.

Veröffentlicht in blog, Fly safe und verschlagwortet mit , .

Ein Kommentar

  1. Sehr wahre Worte. Ich bin Schülerin LAPL und habe wohlgemerkt in Flugplatznähe mit einem erfahrenen Fluglehrer an der Seite, die ein oder andere ungünstige Wetterbedingung schon kennengelernt. Querwind an der Betriebsgrenze, oder leicht darüber, Sichten von nur 1500m…
    Da lernt man draus, doch beim nächsten Mal lieber am Boden zu bleiben, auch wenn es alles noch im Rahmen des Vertretbaren war, so ist es doch ein mieses Gefühl.
    Fazit: Ich werde wohl eine Schön-Wetter-Pilotin.
    Der Kaffee im Flugplatzrestaurant schmeckt auch sehr gut.
    LG

Kommentare sind geschlossen.